Freitag, 29. Dezember 2006

G8-Saison in Deutschland: im Gruselkabinett der Weltverbesserer

2007 ist es endlich soweit: die hiesigen Gegner der Globalisierung und der USA können der Welt zeigen, was deutsche Wertarbeit ist. Sie sind Gastgeber für das regelmäßig stattfindende, beschauliche Spektakel mit dem Namen "Gipfelproteste", denn nächstes Jahr können die internationalen Brigaden gegen die kapitalistisch-imperialistische Weltverschwörung im beschaulichen Ostseebad Heiligendamm zu sambarhytmen schunkelnd gegen die Schurken der Welt demonstrieren. It's your Heimspiel; Deutsche Linke vs. Führer der Welt heisst es, wenn die Massen wieder mal in den heldenhaften Krieg gegen das Imperium ziehen, 100.000 Jedi-Ritter werden erwartet. Auf diese Zahl kommt man dank reichlich naiver Vorstellungen von der Funktionsweise der Welt, die es ermöglichen, so ziemlichen jeden Idioten aufzufangen, der bei den Worten "Globalisierung", "Kapitalismus" und "Imperialismus" das Bedürfnis verspürt den nächsten Pflasterstein aufzuheben und auf den Marschbefehl zu warten.

Die meisten "Globalisierungsgegner" haben ein wirklich tragisch einfaches Weltbild. Eine kleine, fiese und egoistische Gruppe von Strippenziehern spielt mit den eigentlich gutmütigen Menschen der Welt ihr schmutziges Spiel, um sich an ihrem Elend zu bereichern. Alles was nicht gefällt, sei es Krieg, Sexismus, Rassismus oder HartzIV wird auf gezielte Pläne dieses Kreises zurückgeführt. Wenn man mit genug Dreck schmeisst wird schon etwas hängen bleiben scheint die Devise zu sein. "Die Herrschenden tragen ihre sinnentleerte Lebensphilosophie von der Freiheit der Ware in jeden Winkel der Welt. Ihre Mittel und Methoden sind Korrumpierung, Betrug, Raub, Krieg und Folter", göbbelt sich das Gegeninformationsbüro Berlin in einem Positionspapier beispielsweise schon mal warm, und legt damit eigentlich nur einen logischen Schluß nahe, wie alle Probleme der Menscheit zu lösen sind: weg mit den Kapitalistenschweinen! Ganz normaler linke Weltverschwörungsparanoia, gemischt mit latenten Liquidationsphantasien. Felix Körner von der Gruppe Antifa Goes To Hollywood analysiert in einem Conne Island Newsflyer den Kapitalismusbegriff der Gipfelstürmer: diese vetrträten "eine Analyse des Kapitalismus, die nicht auf materiellen Grundlagen ruht, sondern einer kulturalistischen 'Idee der Gewinnmaximierung' [...] die Vorstellung des Kapitalismus als Racket-Herrschaft einer privilegierten Clique statt als abstraktes Verhältnis von Warensubjekten [...]" reproduziere was faktisch "ein Aufruf zur staatlichen Intervention gegen den 'entfesselten Kapitalismus'" ist in dessen Folge "die Forderung nach einer 'Fesselung' dieses Kapitalismus, zurück zur Sozialromantik des nationalen und sozialen Staates, zurück zum Konstrukt der 'einfachen Warenproduktion', zurück zum 'fairen Handel'; eine asketische Verzichtsethik wider den Konsum (als wäre Kapitalismus vorrangig ein Problem der Distribution) anstatt eine Kritik der Warenproduktion" eine logische Konsequenz sei.

Zu den regelmäßigen Gipfel-Hopping-Ritualen gehören natürlich auch die Palästina-Fahnen schwenkenden und Kufiya tragenden Amerika- und Israelhasser jedweder Couleur, die sich von solch simpler Programmatik verständlicherweise magisch angezogen fühlen. Von Teilen der Bewegung werden sogar die, mit der Waffe an der antiimperialistischen Front dienenden Genossen in aller Welt in inhaltlichen Papieren direkt umworben. So zum Beispiel in einem gemeinsamen Beitrag der Gruppen Autonome KommunistInnen, Rote Aktion Berlin (RAB), Soziale Initiative Neukölln (SiNN), Gruppe Arbeitermacht und revolution!. In diesem betonen sie, dass ihr "Kampf" auch als "Unterstützung der nationalen Befreiungsbewegungen, etwa in Kolumbien und Venezuela, in Nepal, in Palästina, Kurdistan und im Baskenland" zu verstehen sei. Was für eine illustre Runde doch da von den Freizeitrevoluzzern hofiert wird: von der ETA über die Hamas bis hin zur FARC und den diversen PKK-Nachfolgeorganisationen. Und genau Gruppierungen von diesem Kaliber sind für die Autoren auch der Schlüssel zur Schaffung weltweiten Friedens: "Wir wissen, dass der Imperialismus nicht in Heiligendamm geschlagen werden wird, sondern dass dazu der Widerstand im Irak und in Palästina, die Revolution in Bolivien oder Massenstreiks gegen die Angriffe in Europa unterstützt und propagiert werden müssen." Das Glück der Erde liegt eben doch nicht auf dem Rücken der Pferde, sondern spricht aus den Gewehrläufen all jener, die sich dem Kampf gegen das "Imperium" verschrieben haben. Dass sie dabei oft auch sexistisch, rassistisch oder antisemitisch sind verkommt dabei genauso zur problemlos zu vernachlässigenden Nebensächlichkeit wie ihr häufig terroristisches Gebahren.

Vollkommen zu Recht stellt deshalb das G8-Plenum Mannheim-Heidelberg in seinem Papier "Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen" fest: "die Solidarität mit den bekannten palästinensischen 'Befreiungsbewegungen' in denen ein (z.T. eliminatorischer) Antisemitismus vertreten wird und wie sie von SINN, Revolution, Rote Aktion Berlin, Arbeitermacht und den Autonomen Kommunisten praktiziert wird, ist für uns indiskutabel. Eine ähnliche Diskussion über die 10-Euro-Kampagne für den irakischen Widerstand, die von den oben genannten Gruppen ebenfalls unterstützt wurde, ersparen wir uns an dieser Stelle". Eine solche Schmähung des "Palästinensischen Widerstandes" lässt der tapfere Antiimperialist natürlich nicht auf sich sitzen und so fühlte sich eine Gruppe mit dem martialischen Namen Kampfinitiative Berlin bemüßigt, eine Antwort auf das Papier aus Mannheim/Heidelberg zusammenzugeifern. Der Gruppe, die "zur Linken keinen Bezug außer den Hass auf sie" habe, gehe es "mit ihren Fälschungen und Lügen" und ihren "FBI-Methoden" einzig und allein darum, "die Linke zu zerstören und die herrschenden Verhältnisse zu zementieren". Lediglich ein Verweis der Kampfinitiative auf Geldtransfers vom Mossad oder der CIA in die Rhein-Neckar-Region fehlen da noch, um das paranoid-nationalistische Bild abzurunden.

Ins selbe Horn stoßen auch die Autoren des Papiers "Kapital Macht Krieg - die Beherrschung verlieren!" vom Gegeninformationsbüro Berlin, die - ihr guter Ruf unter den Feinden der USA und Israels ließ es bereits erwarten - mit ein paar ganz besonderen Schmankerl aufwarten können. "Der Widerstand der PalästinenserInnen gegen die israelische Besatzung wird nicht dadurch illegitim, dass es einen von den deutschen Faschisten zu verantwortenden Holocaust gab," heisst es da unter Leugnung jeglicher Kontinuitäten und Überschneidungen in der Ideologie der Judenhasser in Deutschland und im Nahen Osten. Dass es konkrete historische Gründe für die Etablierung des Staates Israel als Schutzraum für von Verfolgung bedrohte Juden gab, will man hier nicht gelten lassen. Weiter stützt die Berliner Gruppe die alte antiimperialistische Rechnung "Der Feind meines Feindes muss mein Freund sein" mit Aussagen der wirren Nationalistin Arundhati Roy: "Der irakische Widerstand kämpft auf der Frontlinie des Kampfes gegen das Imperium. Und daher ist dieser Kampf unser Kampf". Das können die Berliner vom Gegeninformationsbüro nur unterstreichen, schließlich hat man sich hier schon lange der Bekämpfung der USA und Israels verschrieben, die seit jeher auf der Liste der Lieblingsfeinde der Weltverbesserer ganz oben stehen. Den "Herrschenden" in Amerika gehe es ohnehin um die Vernichtung der Menschheit, wenn man dem apokalyptischen Szenario glauben darf: "Die USA geben seit dem ersten Weltkrieg ökonomisch, seit dem zweiten militärisch und politisch den schmutzigen Ton an. [...]Der US-Imperialismus treibt eine am Ende zerstörerische Perspektive für die Menschen und ihre Umwelt brutaler vorwärts, als jede andere imperialistische Macht.Weil sie noch die Stärksten sind," und genau das will man ja schließlich auch ändern, Seit an Seit (leider nur ideologisch) mit Suicide Bombern im Irak und in Israel.

Nun sind Globalisierungsgegner natürlich keine Schreibtischtäter, sondern können durchaus auch praktisches Potential entfalten. So machte sich vor einigen Wochen eine Infotour-Gruppe aus Deutschland auf den Weg, um dem alten Motto "am Deutschen Wesen soll die Welt genesen" folgend den Menschen im Nahen Osten mal die ganze Sache mit dem Widerstand zu erklären und ihnen zu zeigen, wie endlich Frieden in der Region herrschen kann. Welches historische Ereignis in Deutschland sie zur Rolle des Tutors in Sachen Widerstand legitimiert ist zwar unklar, aber die Autoren eines Berichtes über die Reise geben sich sichtlich Mühe, eine möglichst emotionslose Darstellung zu verfassen, so viel muss man ihnen im Vergleich zu den recht deutlichen Aussagen in G8-Positionspapieren fast schon zugestehen. Der Text überschlägt sich mit Konjunktiven und indirekter Rede wenn die Positionen von Israelis und Palästinensern wiedergegeben werden, und sogar über Probleme bei der Kontaktaufnahme mit Aktivisten in der West Bank und im Gazastreifen wird berichtet. "Palestinian groups were quite worried of our political background, meaning: if we are working together with Israeli groups, even leftists and peace groups, that are 'pro-zionistic' in the sense of not opposing settling in the territories."

Vor wenigen Tagen hat sich im Mail-Verteiler des Anti-G8-Netzwerkes ein empörter Aktivist von Stop the Wall zu Wort gemeldet, Jamal Juma'. Er ist mit den Ausführungen der Infotour-Gruppe unzufrieden und spielt den Beleidigten: "Dear friends from Germany, Greetings from the Palestinian grassroots Anti-Apartheid Wall Campaign" begrüßt er die Deutschen Aktivisten, auf deren Israelfeindschaft man doch sonst immer bauen konnte. Der Vergleich mit Südafrika hat es Juma' und seinen Getreuen angetan und er kann gar nicht oft genug wiederholen, dass die Juden schlimmer als die Buren sind. "The Israeli regime unleashes racist brutality that by far outstands the crimes of the previous apartheid regime in South Africa" halluziniert der Koordinator der Gruppe Stop the Wall, Jamal Juma' beispielsweise in seinem Text "Between Resistance and Deception", fährt fort mit dem Vorwurf, die israelischen Juden betrieben ein "racist demographic engineering [...] to ensure Jewish numerical majority" und zeigt schließlich Verständnis für palästinensiche Vergeltungsmaßnahmen: "Yes, Palestinians do want those who have stolen their land and lives to pay a price for it." In einem anderen Beitrag für das antizionistische Rollkommando, "The Occupation's "Convergence Plan": Legitimizing Palestinian Bantustans", lässt er sich in seiner Terminologie gar von den Geschehnissen auf dem Balkan inspirieren und spricht von "ethnischen Säuberungen" durch Juden, welche eine "Judaisierung Jerusalem" voranzutreiben planten: "'New' plans for Jerusalem are based upon the ethnic cleansing of the city", was er als Konsequenz des "racist Zionist paradigm of a Jewish state in Palestine" sieht. "Jewish colonizers are to replace the indigenous Palestinian population, or at least to outnumber them by large majorities, in order to dominate them," so charakterisiert er die hinterhältigen Pläne der jüdischen Unmenschen.

Dass sich diese Koryphäe auf dem Gebiet der frieden-heuchelnden Israelfeindschaft mit den erstaunlich umsichtigen Ausführungen der Infogruppe nicht zufrieden geben kann, ist in Anbetracht seiner sonstigen Vorlieben durchaus nachvollziehbar. Juma' bereut, überhaupt zu einem Gespräch bereit gewesen zu sein: "I guess you could have saved your time and money and just not come in the first place" schreibt er in seiner Botschaft. Die Deutschen würden den Ernst der Lage in den palästinensischen Gebieten nicht erkennen, so deutet er den Unwillen der Truppe, offen gegen Israel Stellung zu beziehen. Schließlich, so müsse man endlich einsehen, seien die Palästinenser "the biggest and most longstanding refugee community in the world". Dabei wisse in der West Bank schon jedes Kind, wer an den Missständen die Schuld trägt: "You might have stopped in front of the first refugee camp [...] and asked a school boy what he thinks about the US, Europe or the UN. He would have given you a fairly clear description of the role those powers play in the expulsion and occupation of the Palestinian people". Wer nicht dem antizionistischen Kurs von Stop the Wall zustimmt ist ohnehin ein Feind des Palästinensischen Volkes und daher könne man unmöglich mit Organisationen zusammenarbeiten, "that believe it is the right of the Jewish people [...] to steal and colonize our lands, to expel our people and to destroy our society".

Die Enttäuschung über die Deutschen Kameraden, die doch schon mal so hellhörig für jüdische Untaten in der Levante waren wird aber sicher nicht das komplette Spektrum der Hamas-Cheerleader und Hussein-Verehrer davon abhalten, im Sommer in Heiligendamm zusammen mit naiven Träumern und militanten Menschenhassern aus ganz Europa zu demonstrieren und ein Zeichen gegen das Böse in der Welt, personifiziert in der homogenen Masse "die Herrschenden", zu setzen und den Kapitalistenschweinen "im Herzen der Bestie" mal wieder so richtig Dampf unterm Hintern zu machen. Dass diese "Herren der Welt" sich verständlicherweise einen feuchten Kehricht um eine Handvoll kleinkariert-nationalistischer Revoluzzer scheren ist diesen egal: dabei sein ist alles, im Gruselkabinett der Weltverbesserer.