Mittwoch, 13. Dezember 2006

Israel. Nuclear Neighborhood Bully

Hätte er sich doch nur an den Spickzettel gehalten. Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert hat sich während seines Deutschlandbesuches bei einem Sat1-Interview verplappert: er hat Israel als Atommacht geoutet, so wird es zumindest ausgelegt. Dabei kommen die Reaktionen meist geheuchelt überrascht daher: ein Hauch von "Wir haben es doch schon immer gewusst" mischt sich da diskret mit hysterischem Geschrei von der "israelischen nuklearen Bedrohung". Olmert hatte gesagt: "we have never threatened any nation with annihilation. Iran, openly, explicitly and publicly threatens to wipe Israel off the map. Can you say that this is the same level, when they are aspiring to have nuclear weapons, as America, France, Israel, Russia?"

Nun sind Atomwaffen vollkommen zurecht ein geächtetes Mittel der Kriegsführung. Die Folgen eines Einsatzes sind in ihrem Wirkungsradius nicht einzugrenzen, die schrecklichen Konsequenzen sind aus Hiroshima und Nagasaki hinreichend bekannt. Man muss aber auch beileibe kein A-Waffen-Fan sein um die öffentliche Reaktion kritisch sehen zu können.

Zunächst einmal gilt es die Frage zu klären, ob es sich bei den Worten Olmerts tatsächlich um ein ungeplantes Geständnis handelt. Er nennt im Interview zwar in der Tat Israel in einem Atemzug mit Staaten die allesamt im Besitz von Atomwaffen sind, laut israelischen Aussagen jedoch in einer anderen Funktion, nämlich als Beispiel für einen verantwortungsvollen Staat: the Prime Minister's Office said the statement was misinterpreted. The prime minister "listed Israel among the list of responsible nations, and not the list of nations which have nuclear weapons".

Aber wen interessiert schon wie Olmert seine Aussagen verstanden haben will, wenn sich seine Worte doch bereits so herrlich verselbständigt haben. Rabbi
Juda Hassid lehrte uns bereits im 13. Jahrhundert: "Du kannst dein Wort bedauern; du kannst aber niemals dein Schweigen bedauern. Vor dem Reden bist du Herr deines Wortes, aber nachher wird das Wort dein Herr." Vielleicht hätte sich Olmert an diese Empfehlung halten sollen. So sieht man es auch in Israel, wo die Äußerungen zwar ebenfalls einen Sturm der Empörung ausgelöst haben, sich dessen Grundlage von den Unmutsbekundungen im Rest der Welt jedoch fundamental unterscheidet, wie die Jerusalem Post feststellt: But still, the tempest Olmert's comments caused in Israel - a tempest not echoed in the German or international media - seemed due less to the content of what he said, and more that he actually said anything at all.

Was solchen Ausrutschern folgen würde war klar: die Welt ist ensetzt. Mal wieder. Die Zeitung The Scotsman sorgt sich beispielsweise um die dunkle Bedrohung die für die Welt vom israelischen Atomwaffenarsenal ausginge. "Dunkle Bedrohung" klingt schon etwas gruselig - Mordor lässt
grüßen. Dass sich angesichts einer solchen Stimmung die erklärten Feinde Israels ins Fäustchen lachen kann man da fast schon verstehen. So lässt dann auch der iranische Regierungssprecher umgehend verkünden, die jetzt endlich bewiesene Existenz israelischer Atomwaffen "constitutes a real threat to the security and stability of the Middle East…it's proof that Islamic nations in the region are under a security threat." Ergo: Iran braucht ebenfalls welche.

Dass ein Staat an der Seite Israels existiert, der aus seinen antisemitischen Vernichtungsphantasien keinen Hehl macht and den Besitz nuklearer Waffen anstrebt scheint im Moment ohnehin recht wenig zu interessieren, genauso wie die zeitgleich mit Olmerts Deutschlandbesuch stattfindende Holocaust-Konferenz in Teheren deren Ziel es ist die "Frage" zu klären, ob es überhaupt einen Holocaust an den Juden gegeben hat und wieviel diese selber zu ihrer Vernichtung beigetragen haben könnten. Genauso unerheblich scheint auch der immer noch euphemistisch "Waffenstillstand" genannte Zusand in Israel zu sein der zumindest für Israelis sicher keiner ist, da der Beschuss mit palästinensischen Kassam-Raketen sich nicht mal spürbar reduziert hat. Nein, da scheint es im moment wichtigeres zu geben: Israel hat schließlich die A-Bombe. Zwar verfügen auch jede Menge anderer Staaten über ebensolche Waffen - oder sind zumindest Nukleare Teilhaber, wie auch Deutschland - die auf der politischen Bühne bisher einen deutlich zwielichtigeren Eindruck hinterlassen haben, aber wen interessiert im Moment schon Nordkorea. Das hatten sich wohl auch die Weltretter der "Internationalen Ärzte zur Verhinderung des Atomkrieges" (IPPNW) gedacht als sie sich kürzlich in der misslichen Lage sahen, sich zu einem Statement bezüglich des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms genötigt zu sehen. Doch es gelang ihnen in ihrem genialen Propaganda-Coup dennoch sich treu zu bleiben und die Aufmerksamkeit auch dann, wenn es eigentlich um etwas anderes geht mal wieder auf die alten Schlingel in den USA zu lenken, sind diese doch ohnehin die größte Gefahr für den Weltfrieden:"Für Nordkoreas Atomwaffenprogramm gebe es keinerlei Rechtfertigung." Zu so viel lassen sie sich in ihrem skurrilen Pamphlet doch noch hinreissen. Doch dabei wollen sie es dann auch bewenden lassen und fahren fort: "Allerdings hätten die aktuellen Entwicklungen reale politisch-historische Hintergründe, die ein Bedrohungsszenario für Nordkorea zumindest nachvollziehbar machen würden." Für eine Vereinigung deren selbsterklärtes Ziel die Abschaffung von Atomwaffen und Atomenergie weltweit ist scheint dieses plötzliche Verständnis für die atomaren Gelüste Nordkoreas doch etwas unangemessen zu sein, wenigstens aber auf humoritisch hohem Niveau. Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben. Wir können gespannt sein auf die zu erwartende Erklärung zur neuesten Entwicklung in der Causa Israel.

Warum gerade diese Entrüstung wenn es um Israel geht? Ein Schelm wer böses dabei denkt. Doch auch Der Spiegel scheint sich sicher zu sein, dass Israel nichts Gutes im Schilde führen kann. So gehe es Israel in seinem Kurs gegen das iranische Atomprogramm lediglich darum sich das Monopol zu sichern: Seine Stellung als atomarer Monopolist in der Region will Israel mit Gewalt aufrechterhalten. Dass es Israel genau darum und nicht etwa um die eigene Sicherheit gehe, das könne man schließlich schon an folgendem Beispiel erkennen:Das musste Anfang der achtziger Jahre Saddam Hussein erfahren, nachdem seine Wissenschafter große Fortschritte beim Bau einer irakischen Atombombe gemacht hatten. Der damalige israelische Premierminister Menachem Begin befahl der israelischen Luftwaffe, den irakischen Atomreaktor zu zerstören. Begins Bomber setzten Saddam Husseins Atombeschaffungsprogramm ein jähes Ende.

Undank ist der Welten Lohn und so ist hierzulande nichts suspekter als Juden, die sich erfolgreich wehren
: die Deutschen lieben tote Juden, je toter sie sind, umso mehr werden sie geliebt, da passt ein Akt jüdischer Selbstverteidigung natürlich nicht ins Konzept. Dabei ist es auch egal was Israel gerade sagt oder macht - Antisemiten haben sich bisher meistens als recht aufklärungs- und faktenresistent erwiesen - so hatte es vor mehr als 20 Jahren bereits Bob Dylan erkannt und singt in seinem Lied "Neighborhood Bully" unter anderem:

"Well, he knocked out a lynch mob, he was criticized,
Old women condemned him, said he should apologize.
Then he destroyed a bomb factory, nobody was glad.
The bombs were meant for him.
He was supposed to feel bad.
He's the neighborhood bully.
[...]
Well, he's surrounded by pacifists who all want peace,
They pray for it nightly that the bloodshed must cease.
Now, they wouldn't hurt a fly.
To hurt one they would weep.
They lay and they wait for this bully to fall asleep.
He's the neighborhood bully."