Montag, 26. März 2007

Polizei der BRD: Deutsche in Uniform

"Die Polizei, dein Freund und Helfer". Während manch einer behauptet, der Ursprung des inoffiziellen Leitspruchs der deutschen Polizei sei bei Heinrich Himmler zu suchen (z.B. hier), behaupten andere, dass er schon deutlich früher geprägt wurde. Sicher ist jedenfalls eines, nämlich dass die Formel schon immer eine leere Worthülse war, die Illusion, es handle sich bei Polizisten um Personen, die frei von der Idiotie der restlichen Gesellschaft mit ihren Diensten und in ihrem Rechtsgefühl allen Teilen der Bevölkerung gleichermaßen zur Verfügung stehen. Dieser Anspruch an Polizeibeamte - bessere Menschen zu sein - kollidiert natürlich mit der Realität, denn auch sie kommen mitten aus der Gesellschaft, und da die deutsche Gesellschaft vom einen Rand des politischen Spektrums zum anderen in unterschiedlichem Maße mit Rassismus, Sexismus, Autoritarismus und anderen Dummheiten verpestet ist, machen diese Einstellungen natürlich auch nicht vor Polizeikasernen halt. Ein Dauerbrenner unter den negativen -Ismen, beliebt bei Jung und Alt, Rechts wie Links, ist dabei schon seit jeher der Antisemitismus und seit einigen Jahrzehnten auch sein böser Zwilling, der auf den Namen Antizionismus hört.

Letzterer hatte 2006 mal wieder ein äußerst gutes Jahr: Israel hatte seinen Daseinszweck einmal mehr erfüllt und die Pläne seiner Gegner - diesmal der Hisbollah - , die jüdische Bevölkerung mitsamt Staat von der Landkarte zu fegen bereits im Keime erstickt. Dies ärgert nicht nur die Mullahs und Jihadisten auf dem Globus jedes mal aufs Neue, sondern Juden die sich wehren sieht man auch in der deutschen Friedensbewegung nicht gerne und so echauffierte sich diese einmal mehr über die Dreistigkeit der Zionisten. Da wurden tagsüber eilig Demos organisiert, auf denen Hisbollahfahnen schwenkende Antikriegsjihadisten den Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah in Sprechchören hochleben ließen und man die Legende vom jüdischen Kindsmord wiederauferstehen ließ ("Kindermörder Israel"), während man sich abends die Zeit mit Diskussionsrunden vertreiben konnte bei denen es eigentlich nur noch darum ging zu klären, welche Bestrafung für Israel denn die angemessene sei: Prügel- oder Todesstrafe. Während die Diskussionsrunden einen israelsolidarischen Besucher der sich in die Höhle des Löwen verirrt hatte - je nach individueller Schmerzgrenze - entweder belustigen konnten, oder aber traurig-wütend stimmen, so konnte eine Teilnahme an einer der Demos durchaus eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen darstellen. So zum Beispiel Ende Juli letzten Jahres in Saarbrücken, als ein Mob aus Hamas- und Hisbollahsympathisanten unter "Juden raus"-Rufen als Friedensdemo getarnt durch die Innenstadt zog, um dem Standpunkt, dass ein weltweiter Frieden nur ohne Juden möglich ist einmal mehr Nachdruck zu verleihen. Eigentlich wäre an diesem Punkt bereits das Nichteinschreiten der anwesenden Polizei als Skandal zu bewerten, aber es kam noch schlimmer, als ein einsames Häufchen Antifas dies alles nicht hinnehmen wollte und deshalb eine Israelfahne zeigte. Die Reaktion erfolgte prompt: eine Gruppe von etwa 50 Personen löste sich unter Rufen wie "Judenhuren!" aus dem Demonstrationszug, stürzte sich fäusteschwingend auf die israelsolidarischen Antifas und verprügelte sie schließlich, was von der Polizei nicht verhindert wurde. Doch damit nicht genug: eines der Opfer des Angriffs erhielt einige Tage nach dem Vorfall eine polizeiliche Vorladung, später wurde gar seine Wohnung von Beamten durchsucht. Die Begründung: das Zeigen der Fahne des jüdischen Staates sei eine Provokation, durch die eine angemeldete Versammlung behindert werden sollte.

Dieselben Polizeibeamten, die hier den Opfern eines antisemitischen Übergriffes nicht etwa Hilfe geleistet, sondern sie zu Tätern gemacht haben und bei anderen Gelegenheiten bereits durch so unschöne Dinge wie sadistische Quälereien an jüngeren Kollegen oder ihr verlangen nach Naziliedern und -uniformen auffielen, sind es - und das macht die ganze Sache so tragisch - die im Zweifelsfall jüdische Personen und Einrichtungen vor Angriffen jener Art schützen müssen, wie sie jüngst eine Kindertagesstätte in Berlin erleben musste. Jetzt hat die Polizei schon wieder ihren nächsten Skandal. Nach Angaben des Berliner Tagesspiegel soll "eine Klasse angehender Polizisten in einer obligatorischen Unterrichtseinheit über die Zeit des Nationalsozialismus erklärt haben, sie wolle 'nicht dauernd an den Holocaust erinnert werden' ". Hintergrund war der Vortrag des 83-jährigen Isaak Behar, der seine komplette Familie in deutschen Konzentrationslagern verlor und seit mehr als 20 Jahren über seine Erfahrungen mit dem Judenhass in Deutschland referiert. Die angehenden Beamten, so berichtet später der Spiegel, hätten äußerst gereizt reagiert und wollten von dieser unschönen Sache damals nichts weiter hören. Zusätzlich sollen Äußerungen gefallen sein, Juden seien "reiche Leute". Dabei ist der Vorfall schon fast einen Monat her, der polizeiliche Vertuschungsapparat scheint zu funktionieren: eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, und so wurde das Ganze erst mal unter den Teppich gekehrt. Dass auch die Führungsebene der Berliner Polizei ungefähr so viel von Antisemitismus versteht, wie der Papst von Gruppensex, beweist Polizeipräsident Glietsch (Foto rechts oben). Der Tagesspiegel zitiert ihn mit folgenden Worten: "Wenn sich herausstellen sollte, dass bei jemanden hinter den Äußerungen eine manifeste Fehleinstellung zum Holocaust, dem Nationalsozialismus und dem Rechtsextremismus steht, dann bedeutet dies, dass derjenige bei der Polizei nichts zu suchen hat". Glietschs Vorstellung erinnert ein wenig an eine Zeile Georg Kreislers, die er in "Sodom und Andorra" verwendet: "Ein Stück über die Juden, in dem keine Juden vorkommen? Ah, das ist genial!", nur dass hier das Problem nicht das Fehlen von Juden, sondern die fehlende Beachtung von Antisemitismus in der Aufarbeitung ist. In den Plänen des Polizeipräsidenten, wie dem antisemitischen Zwischenfall in der Polizeischule zu begegnen sei fehlt das Wort "Antisemitismus" komplett. Stattdessen wird ein urdeutscher Reflex aktiviert der dazu führt, dass Judenhass nicht als historische Konstante der letzten Jahrhunderte gesehen, sondern seine Existenz auf jene zwölf Jahre deutscher Geschichte projiziert wird, welche - und das weiss doch wirklich jeder - schon längst abgeschlossen und aufgearbeitet sind. Oder aber das Problem wird reduziert auf auf jene Gestalten am schmuddeligen rechten Rand, mit denen ein normaler Mensch sowieso unmöglich etwas gemein haben kann. Auch bei der Gewerkschaft der Polizei wird aus der Erkenntnis, dass alle Nazis Antisemiten sind der Fehlschluss abgeleitet, dass alle Antisemiten auch Nazis sind und so meint der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Wolfgang Speck in Reaktion auf die Vorfälle: "Mir ist nicht bekannt, dass rechte Parteien versuchen, in der Polizei an Boden zu gewinnen oder Boden gewonnen haben".

"Letztlich verhielten sich einige Polizeischüler ähnlich dumpf wie ein großer Teil der deutschen Gesellschaft" meint auch Doris Kalveram in einem Beitrag für Die Jüdische, und dies trifft eben nicht nur auf den eigentlichen Vorfall an der Polizeischule zu, sondern auch auf dessen Aufarbeitung durch die Polizeiführung. Da nützt es auch nichts, wenn Wolfgang Thierse vor einem "antisemitischen Korpsgeist" in der Polizei warnt oder ein Historiker darauf hinweist, es gäbe "Subkutanen Antisemitismus" bei Deutschlands Polizei. Wer wissen möchte, wie die Stimmung an der Basis der Polizei ist, der kann sich ein Bild hiervon im Forum der "privaten Polizeiseite" CopZone.de machen. Selbstverständlich schreiben hier nicht nur Polizisten, einige behaupten aber zumindest ebensolche zu sein und nach eigenen Angaben sind auch sämtliche Moderatoren "Polizeibeamte/Zöllner". Im Forum existiert auch eine Diskussion zum Thema "Antisemitismus an Polizeischule", die mit einem Beitrag von Schranke beginnt. Dieser wundert sich, ob "Komentare wie 'Juden sind reich' und ähnliches"* überhaupt ausreichen "um Polizisten als antisemitisch zu bezeichnen", oder ob hier nicht vielmehr mit der "durch die Friedmanngeschichte losgetretene Welle" mitgeschwommen werden solle. Copgun, ein Moderator (und somit "Polizeibeamter/Zöllner") aus Frankfurt a. M. bestätigt ihm diese Vermutung prompt: "meiner meinung nach schwimmt der beitrag nur auf dieser welle mit, weil ich an diesen äußerungen nichts gravierendes erkennen kann" und auch sein Moderatorenkollege Goldstern aus Berlin bescheinigt den antisemitischen Polizeischülern unter absolutem Realitätsverlust, "dass es sich nicht um Antisemiten handelt" . Auch Askar stellt sich später die Frage: "Wo ist denn da Antisemitismus?".

Schranke, der die Diskussion eröffnet hat, meldet gar Verständnis für seine Kollegen in Ausbildung an: "ich kann verstehen wenn man nichts mehr davon hören möchte und nicht immer in die Rolle des Angeklagten gedrückt werden möchte". Er ist somit ein Paradebeispiel für eines jener armen deutschen Würstchen, die den Juden Auschwitz nie verzeihen werden und sich als die eigentlichen Opfer bei der ganzen Sache verstehen. Fragt sich nur, wen er hinter den Medien vermutet wenn er danach fordert, man solle deren "Druck" nicht gleich nachgeben. Auch der User Trent kann die ewigen Vorhaltungen nicht mehr hören. Man solle "den angehenden Polizisten ihr Handwerkszeug für den späteren Beruf" beibringen, wovon er das Wissen um Antisemitismus und den Nationalsozialismus ausdrücklich ausklammert. Er selber habe schließlich schon "Schindlers Liste angeschaut" und daher komme "irgendwann [...] der Punkt wo du denkst: So nu is aber mal gut, ich habs begriffen". Der User Corporal geht noch einen Schritt weiter und weiß zu berichten, dass am Antisemitismus eigentlich die Juden Schuld sind, schließlich gebe es in dieser Angelegenheit keine "sachgerechte aufklärung, sondern die keule vieler organisationen, politiker und medien" und "genau so", glaubt Corporal, "schafft man latenten antisemitismus". Nicht nur von User Vito gibt es frenetischen Beifall für diese Aussage, auch Schranke fühlt sich von der Antisemitismukeule bedroht wie von einem Damoklesschwert und denkt sich, dass man gegen DIE ja nichts sagen darf. "Aber als Deutscher darf man ja nicht einmal etwas gegen die Politik Israels sagen ohne als Antisemit betitelt zu werden" jammert er da vor sich hin, als hätte er die Berichterstattung eines großen Teils der Medien über die Geschehnisse im Nahen Osten im Sommer 2006 einfach verpennt. Askar gibt sich am Paranoidesten von allen und meint "es braucht ja nur jemand einemal 'jude' aussprechen und schon regnet es Antisemitismus-Vorwürfe".

Nicht nur die Berliner Polizeischüler, sondern auch Polizeibeamte im CopZone haben gezeigt, dass sie die gesellschaftliche Verantwortung die man ihnen zuschreiben will eigentlich gar nicht bewältigen können, da sie selber mit beiden Beinen knietief im deutschnationalen Sumpf stecken. Falls es mehr von jener Sorte Polizisten gibt, die entweder - wie die Berliner Polizeischüler - Gespräche über "reiche Juden" selbstverständlich finden, oder aber - wie bestimmte Mitglieder des Polizei-Forums - nicht den antisemitischen Gehalt solcher Äußerungen wahrhaben wollen bleibt eine Frage wohl unbeantwortet: wer soll antisemitische Gewalt und Propaganda im post-Auschwitz Deutschland verhindern? Da auch Polizisten nichts weiter als "Staatsbürger in Uniform" und somit auch in den selben dreckigen Diskursen gefangen sind wie der Rest des "Deutschen Volkes", sollte man sich auf diese im Ernstfall wohl besser nicht verlassen.

* Alle Zitate in unveränderter Rechtschreibung

Donnerstag, 22. März 2007

And the Winner is ... Israel!

"An allem sind die Juden schuld, die Juden sind an allem schuld, allem schuld. Warum sind denn die Juden schuld? Kind, das verstehst du nicht, sie sind dran schuld." Diesen alternativen Text zu einer Melodie aus der Oper Carmen schrieb Friedrich Holländer in den 1920er Jahren und kommentierte damit herrlich spöttisch einen Dauerbrenner des Antisemitismus - die jüdische Weltverschwörung, gegen das Wohl der Menschheit gerichtet. Ganz gleich ob Kommunismus oder Kapitalismus, die Pest oder HIV, der Ursprung sämtlicher Geißeln der Menschheit ist, so glauben antisemitische Paranoiker schon seit Jahrhunderten, jüdischen Ursprungs. Auch heute noch nimmt manch einer kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht das Judentum als Urheber allen Übels - vom Klimawandel über 9/11 bis H5N1 - direkt anzusprechen. Einige gehen dabei mit der Mode und kommen zwar zum selben Schluß, allerdings über einen kurzen Umweg: Israel, der Jude unter den Staaten. Nicht mehr "die Juden" sind die großen Übeltäter, sondern "die Israelis", wahlweise auch "die Zionisten" oder einfach "Israel". Wirklich innovativ ist diese notdürftige Mimikry zwar nicht, vielleicht macht aber gerade dies den Erfolg dieses einfachen Rezeptes aus: jedes Unternehmen setzt auf den Wiedererkennungswert seiner Produkte, um sich einen treuen Kundenstamm zu sichern, und genau das klappt im Antisemitismus schon seit Jahrhunderten wunderbar. Die Marke "Judenhass", gleich ob sie als Antijudaismus, moderner Antisemitismus, oder Antizionismus daher kommt, handelte stets nach dem Motto "nur wer sich ändert, bleicht sich treu" und wurde so zum weltweiten Verkaufsschlager.

Dies zeigt nun auch einmal mehr eine im Auftrag von BBC durchgeführte Umfrage, die zwar streng genommen kein "global poll" ist, wie die Verfasser vollmundig behaupten, da die rund 28.000 Personen in "nur" 28 Ländern befragt wurden, aber dennoch einige Rückschlüsse auf Israels Ansehen in der Welt zulässt. Die Befragten wurden darum gebeten zu beurteilen, ob zwölf einzeln abgefragte Staaten einen jeweils "eher negativen, oder positiven Einfluss auf die Welt" haben. Informationen sollten auf diese Art zum Image von China, der EU, Frankreich, Großbritannien, Indien, Iran, Israel, Japan, Kanada, Nordkorea, Russland und Venezuela gewonnen werden. Das Ergebnis ist, wenn auch nicht sonderlich überraschend, so zumindest doch einmal mehr äußerst besorgniserregend: die Auswirkungen Israels auf das Geschehen in der Welt werden von 56 Prozent der Befragten als negativ betrachtet und somit von so vielen, wie es keinem anderen Staat gelingt. Auch auf der anderen Seite der Bilanz hält der kleine Staat den Negativrekord, denn gerade 17 Prozent gestehen es Israel zu, sich positiv auf die Verfassung des Globus auszuwirken. Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage sind dabei nicht ganz neu. Bereits 2003 kam eine europaweite Eurobarometer-Umfrage zum Thema "Iraq and Peace in the World" ganz nebenbei zum Ergebnis, dass 59% der Europäer Israel als "Gefahr für den Weltfrieden" betrachten, mit einem überdurchschnittlich großen Anteil von 65% Israelfeinden in Deutschland. Auch damals schon hatte Israel also das Rennen um den ersten Platz in einem Negativ-Ranking gewonnen.

So viel zweifelhafte Ehre wird nicht mal dem Iran zuteil. Die bombenbastelnden Mullahs werden gerade mal von 54% der Befragten negativ bewertet, satte 18% vertreten offenbar sogar die genau entgegengesetzte Meinung und denken scheinbar, es handle sich bei Ahmedinedschad und seinem Staat um globale Wohltäter: sie bewerten das Treiben im Iran positiv. Die Bronzemedaille geht an die USA, die sicher schon im Vorfeld als heisser Kandidat für einen Platz auf dem Treppchen gehandelt werden konnten. Zwar könnte man sich angesichts einer positiven Wertung von 30% denken: es hätte deutlich schlimmer kommen können!, aber auf der anderen Seite empfindet etwas mehr als die Hälfte der Welt (51%) die USA scheinbar als Problem und so verschaffen die USA-Hasser den ungeliebten Yankees sogar noch einen Platz vor Nordkorea. Amerika, dich haßt sich's besser

So richtig interessant werden die Ergebnisse der Umfrage aber erst, wenn die Daten regional differenziert betrachtet werden, wodurch schier unendlich viele Möglichkeiten für Kombinationen, Vergleiche und andere Spielereien eröffnet werden. Vorsicht ist natürlich dennoch geboten, denn ein Blick auf die verwendeten Methoden offenbart, dass sich trotz der für statistische Zwecke ausreichenden Zahl von ca. 1000 Befragten pro Land die Art des Interviews regional unterscheidet. In manchen Fällen wurden die Personen "face-to-face", in anderen am Telefon befragt, was durch die subjektiv größer empfundene Anonymität deutlich andere Ergebnisse hervorbringt. Einen groben Anhaltspunkt bieten die Zahlen aber allemal. Bei Betrachtung der Umfragewerte für Israel gibt es wenig Neues und vieles, das leider nicht anders erwartet werden konnte. Die größten Israelhasser leben in muslimischen Ländern (im Schnitt 78% "negativ") mit dem Libanon (85% "negativ") als weltweiten Spitzenreiter auf diesem Gebiet. Dicht auf den Fersen ist diesen Staaten die Europäische Union: 61% der in den acht ausgewählten Ländern befragten Personen denken, Israel wirke sich negativ auf die Welt aus. In Deutschland scheint man noch Wert auf althergebrachte Tradition zu legen und so sind Streichers Erben mit großem Abstand europaweit die größten Hasser des jüdischen Staates: 77% denken immer noch, "die Juden sind unser Unglück", nur dass sie heute eben nicht mehr "Juden" sagen, sondern "Israel".

Die wirkliche Überraschung der Untersuchung ist die Antwort auf die Frage, welches Land Israel gegenüber am wenigsten negativ eingestellt ist, denn dies sind nicht die USA sondern Indien! Entweder, die große "Ostküstenlobby" funktioniert nicht mehr richtig, oder aber es wurde eine neue Dependance in Indien eröffnet, jedenfalls leben hier die meisten Israelfreunde, oder zumindest jene die es nicht gerade hassen, und nicht etwa in den Vereinigten Staaten. Auch dort glaubt ein Drittel der Menschen an negative Auswirkungen Israels, und somit mehr, als in Indien, Nigeria oder Mexiko. Aber auch jene, die Israel positiv bewerten sind nicht etwa in den USA in besonders großer Dichte anzutreffen. Wer ein Land mit wirklich israelfreundlicher Bevölkerung bereisen möchte muss, so legen es die Ergebnisse der Befragung nahe, einen Flug nach Westafrika buchen, genauer: Nigeria. 45% der Bevölkerung haben hier ein positives Bild von Israel. Fragt sich nur, ob Indien und Nigeria dem kleinen Staate Israel recht viel nützen, wenn der größte Teil der Welt ganz genau weiß, dass die Quelle allen Übels Israel ist. Der Traum von der globalen Intifada wird schon längst geträumt.

Donnerstag, 25. Januar 2007

John Pilger und Junge Welt - ein Traumpaar

Bei der Berichterstattung über Terror im Nahen Osten kommt man sich nicht selten vor, wie ein Zuhörer im Gerichtssaal während des Schlußplädoyers des Angeklagten: es mag ja sein, dass er seine Frau verprügelt hat, aber das ehrenwerte Gericht müsse doch verstehen, dass er eine schlechte Kindheit hatte, in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen musste und überdies auch schon selber in seinem Leben wiederholt Opfer von Gewalt wurde. Er könne quasi gar nicht anders als Zuzuschlagen, da ihn seine Umgebung zu dem geformt habe, was er heute ist. So wie der häusliche Gewalttäter auf die Anerkennung mildernder Umstände pocht, so fordern auch die Terroristenversteher in aller Welt, die schwierige Lebenssituation der Suicide Bomber und Bombenbastler als entlastendes Moment einzuführen. Am Terrorismus sind eben alle schuld, nur nicht die Terroristen und im Falle Israels reicht schon die Gründung des winzigen Staates als Rechtfertigung für arabischen Unmut, der sich am liebsten als Kassam- oder Katjuscharegen auf israelische Zivilisten artikuliert, da ist es auch egal, dass es antisemitische Gewalt im Nahen Osten bereits lange vor 1948 gab. Der australische Journalist John Pilger (siehe Foto) geht sogar noch einen Schritt weiter: nicht nur, dass die Juden in Israel selbst schuld daran sind, wenn sie gehasst werden, sondern in Wirklichkeit seien die Israelis und ihre Handlanger in den USA die wahren Terroristen, gegen die sich Hamas, Hisbollah & Co. lediglich zu verteidigen versuchen. Anschläge als Akt des Widerstands also. New York, Madrid, London? "Ätsch, selbst schuld!" denkt sich Pilger und schreibt in seinem Artikel "The real threat we face is Blair" folgendes: "If the alleged plot to attack airliners flying from London is true - remember the lies that led to the invasion of Iraq, and to the raid on a 'terrorist cell' in east London - then one person ultimately is to blame, as he was on 7 July last year. They were Blair's bombs then; who doesn't believe that 52 Londoners would be alive today had the Prime Minister refused to join Bush in his piratical attack on Iraq?" Da kann er seine Schadenfreude natürlich nur schlecht verbergen.

In der gestrigen Ausgabe der Jungen Welt konnte der Leser die deutsche Übersetzung eines typischen Werkes von John Pilger bestaunen. Übersetzt wurde der Artikel, der im Original in der britischen Wochenzeitung New Statesman erschien, für die nationalbolschewistische Leserschaft des ehemaligen FDJ-Blattes von Ellen Rohlfs, die Mitglied von Gush Shalom ist und gerne gegen rachlüstige jüdische Nazis zu Felde zieht, wie zum Beispiel in ihrer Eröffnungsrede zur "Stop the Wall-Konferenz" 2004 in Köln: "Vergessen wir nicht, dass die [...] nahöstliche Tragödie die Fortsetzung der europ. bes. der deutschen Vernichtungsgeschichte am jüdischen Volk ist. Seit 56 Jahren leidet nun ein anderes Volk, das nichts mit dieser europ. Geschichte zu tun hat, an der 'fehlgeleiteten Rache' der damaligen Opfer." Kein Wunder , dass sich die fleißige Ellen sofort voller Freude auf den Text Pilgers gestürzt hat um ihn Stolz den dankbaren Deutschen zu präsentieren, schließlich stoßen beide doch ins gleiche Horn. Im Artikel "Schweigen über Gaza" beschreibt Pilger den Gazastreifen als "großes Gefängnis" - natürlich mit jüdischen Wärtern - , in dem die Menschen "wie in einem Käfig leben" müssen. Trotz dieser belastenden Anklagepunkte seien sich "zu viele westliche Juden" ihrer kollektiven Schuld nicht bewusst und würden lediglich "'Danebenstehen' und 'Zusehen'" während sich vor ihren Augen Szenen abspielten, die denen im "Nazi-KZ in Bergen-Belsen" gleichen. Pilger begnügt sich nicht mit der Beschreibung des typisch jüdischen Blockwarts, sondern spielt das "Guter Jude-Böser Jude"-Spiel, lobt "jene Juden, die die humanistischen Traditionen des Judentums achten" und meint damit wahrscheinlich Finkelstein, Avnery und andere Hofjuden der Antisemiten. Karl Pfeifer kommentiert diesen Absatz im Text von John Pilger gewohnt brillant in einem Beitrag für Die Jüdische: "Haben die Juden aus Bergen Belsen die Deutschen mit Raketen beschossen? Was sollen solche perversen Vergleiche? Sie tragen natürlich bei, zum Erfolg der Bücher und man wird gerne eingeladen, um zu bestätigen, was man in unseren Breitengraden so gerne hört, 'die Juden sind nicht besser als unsere Ahnen, die schauen ja auch bloß zu'." Schützenhilfe also für eine deutsche Spezialität namens "sekundärer Antisemitismus". Dass John Pilger auch andere Spielarten des Antisemitismus beherrscht, beweist er uns durch die Darstellung seiner Version der jüdischen Weltverschwörung: "Daneben stehen und nur zusehen, das ist das, was fast alle US-Kongreßmitglieder als Hörige oder Eingeschüchterte der zionistischen 'Lobby' tun" erkärt er seinen Lesern, für die diese Information wahrscheinlich keine allzu große Neuigkeit darstellt. Immerhin hat er sich in seiner stark komprimierten und aktualisierten Version der "Protokolle der Weisen von Zion" die Mühe gemacht, zusätzlich zum bekannten Vorwurf der Israelhörigkeit die USA als von den Juden "eingeschüchtert" zu bezeichnen und somit die Macht und die Schlagkraft der Zionistenlobby zu unterstreichen.

Dass es am Ende die Juden sind, die alle Fäden in Händen halten hat Pilger in der Vergangenheit bereits mehrfach betont, besonders eindrucksvoll in seinem Artikel "John Pilger on terror in Palestine" für den New Statesman. Die Rechnung ist sehr simpel: Bush beherrscht die Welt, die NeoCons steuern Bush, und die zionistische Lobby kontrolliert die Neocons; ergo: die Juden beherrschen die Welt. Das liest sich dann so: "The 'neoconservatives' who run the Bush regime all have close ties with the Likud government in Tel Aviv and the Zionist lobby groups in Washington." Quod erat demonstrandum. Aber damit nicht genug, möchte Pilger auch noch beweisen, dass machtgeile Zionisten nicht nur die Bush-Administration, sondern auch das Pentagon und sogar Tony Blair steuern: "Until recently, a group of Zionists ran their own intelligence service inside the Pentagon. This was known as the Office of Special Plans [...]. It was the Office of Special Plans that supplied Downing Street with much of its scuttlebutt about Iraq's weapons of mass destruction; more often than not, the original source was Israel." In einem Text von Antisemitism and Xenophobia Today wird auf den Ursrung dieser antisemitischen Verschwörungstheorie hingewiesen. Demnach erschien die Mythe vom "Office of Special Plans" zum ersten mal im von Lyndon LaRouche herausgegebenen Blatt Executive Intelligence Review. Pilger folgt also LaRouche und glaubt, dass eine kleine aber gemeine zionistische Lobby die Welt beherrscht und somit auch für sämtliches Leid des Globus die Verantwortung trägt. Da ist es nur allzu verständlich, dass er Gewalt gegen jene, die den jüdischen Plan ausführen - also vor allem die USA und England - aber auch gegen jene, die diesem Vorhaben keine Kassam-Raketen entgegensetzen wollen für gerechtfertigt hält und als Akt der Befreiung anpreist: "The current threat of attacks in countries whose governments have close alliances with Washington is the latest stage in a long struggle against the empires of the west, their rapacious crusades and domination", so schreibt er als Reaktion auf die Anschläge von Madrid. Deutlich Innovativeres hat er bereits an anderer Stelle hervorgebracht: "According to Freedland [ein britischer Journalist, der für den Guardian und die Jewish Chronicle schreibt; T.E.], the present Israeli regime is merely 'a clumsy prizefighter driven to fury by a fly buzzing around its ears'. His description of the entire Palestinian resistance as buzzing flies would be shocking if it did not accurately reflect Israeli racism, itself a virulent form of anti-semitism." Die Behauptung, die Israelis seien nicht nur schlimmer als die Buren, sondern auch moderne Nazis ist zwar nichts, was der geneigte Antiimperialist nicht schon längst hätte wissen können, neu ist allerdings die Behauptung, dass israelische Politik nicht nur rassistisch, sondern auch antisemitisch ist. Die Grundlage für diese wirre These ist vermutlich die Erkenntnis, dass es sich bei Palästinensern auch um Semiten handelt, eine genaue Begründung für solche und ähnliche ahistorische Kurzschlüsse wird aber meist auch nicht eingefordert, schließlich ist eines an diesem Punkt verdeutlicht worden, was Antisemiten von Fichte über Marr bis Wagner schon immer wussten, nämlich dass aus dem Judentum nichts Gutes erwachsen kann.

Natürlich darf auch das Stereotyp von der zionistischen Kontrolle der Medien im Repertoire Pilgers nicht fehlen. In seinem Artikel "John Pilger on Israel and the media" erläutert er, wie die israelische Lobby die Berichterstattung der Medien steuert, selbstverständlich unter Zuhilfenahme der Antisemitismuskeule. "The media 'coverage' has long reversed the roles of oppressor and victim" halluziniert er und zeigt sich anschließen erstaunt darüber, dass "Israelis are never called terrorists." Stattdessen werden - welch himmelschreiende Ungerechtigkeit! - jene heldenhaften palästinensischen Freiheitskämpfer als Terroristen denunziert, die Pilger in blumiger Rhetorik der 80er Jahre Antiimp-Sozialromantik beschreibt: "ordinary Palestinians cried 'enough!' and rose up in the second intifada, armed mostly with slingshots", so verklärt er den palästinensischen Terrorismus. In Bezug auf die Wirksamkeit israelischer Propaganda kommt er schlußendlich zum Ergebnis: "Goebbels would have approved". Dabei weigerten sich nach Meinung Pilgers die israelischen Juden in ihrer Arroganz und Blindheit für historische Parallelen, ihre eigene goebbelsche Vergangenheit und Gegenwart anzuerkennen und aufzuarbeiten. Wie Antisemiten von der Hamas bis zur Hisbollah längst wissen ist alleine schon die Gründung des Staates Israel ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und so erklärt Pilger in seinem Artikel "John Pilger sees Israel denying its past" für den New Statesman: "Ethnic cleansing attended the birth of Israel but, more than 50 years later, the country is still in denial about its bloody past."

So manches mal erstaunt es dann doch ein wenig wenn man sieht, mit welcher Empörung teilweise die Publikation antisemitischer Texte in der Jungen Welt quittiert wird; so als ob man sich eigentlich etwas anderes hätte erwarten können. Dabei passt einer wie Pilger doch wunderbar ins Konzept und fügt sich bestens ins Sortiment ein, als Ergänzung zu Mellenthin und Pirker. Die ideologischen Überschneidungen sind nur allzu deutlich: die wahren Schurken dieser Welt sitzen in Washington und der Downing Street, planen ohne jede Moral die weitere Ausbeutung des Globus und säen Zwietracht unter den Menschen, um die Massen leichter beherrschen können. Das gleiche simple Weltbild also, das große Teile der deutschen Linken schon seit Jahrzehnten dominiert, sei es als offizielle Politik der DDR oder als Zeichen freiwilliger Naivität und geistiger Verblendung. Eine Disney-Version der kapitalistischen Verfasstheit der Welt, mit einem hässlichen Bösewicht, der ohne Vorwarnung und mit unvorstellbarer Grausamkeit in die allgemeine Idylle einbricht, und einem edlen Prinzen, der lediglich mit einem Schwerte bewaffnet loszieht, um den Despoten unschädlich zu machen. Und im Kampf gegen das Böse sind alle Mittel erlaubt, denn es geht in dieser Schlacht um nicht mehr und nicht weniger als die Freiheit und das Glück der Menschheit. Ganz gleich, wie viele Suicide Bomber sich vor Cafés im Irak in die Luft sprengen und wie viele Katjuschas auf israelische Wohngebiete niederprasseln, Junge Welt und John Pilger nehmen die Mörder in Schutz, schließlich sei der Auslöser für die Gewalttätigkeiten nicht in der Ideologie der Jihadisten, sondern auf der Seite der Opfer zu suchen. Ob eine solche Aufzählung von Mythen und Legenden als Verteidigungsstrategie vor Gericht juristisch bestand hätte und "mildernde Umstände" geltend gemacht werden können ist zwar fraglich, eines aber hingegen ist sicher: ein solches Ausmaß an Wahnsinn und Paranoia, wie John Pilger es in seinen Artikeln erkennen lässt, würde ihn vor jeder gerichtlichen Verurteilung schützen: der Mann ist schlicht unzurechnungsfähig.

Dienstag, 23. Januar 2007

Tausendsassa Abbé Pierre - Armenpriester, Revisionist, Antisemit

Gestern ist Abbé Pierre im Alter von 94 Jahren in einem Pariser Krankenhaus verstorben und Frankreich hat somit den Verlust seines "sozialen Gewissens" zu beklagen. Vor fast fünfzig Jahren gründete er die Hilfsorganisation Emmaus aus der heute eine weltweite Bewegung geworden ist, "deren Ziel es ist, soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen und sich für ein menschenwürdiges Leben einzusetzen." Diesem Kampf hat Abbé Pierre sein Leben gewidmet und so wurde er in Frankreich als Volksheld gefeiert. Gewiss hat er viel Gutes in seinem Leben vollbracht, das ohne jeden Zweifel auch gewürdigt werden muss. Dennoch gab es da auch immer die andere Seite des französischen Geistlichen. Beispielsweise wird er die Geschehnisse in Teheran in den letzten Wochen seines Lebens als eine gewisse Genugtuung empfunden haben. Der iranische Präsident Ahmedinedschad empfing Anfang Dezember die internationale Crème de la Crème der Holocaustleugner, um darüber zu diskutieren ob die Vernichtung von sechs Millionen Juden tatsächlich stattgefunden hat. Handle es sich bei der Shoa um eine Lüge, so gebe es keine Rechtfertigung für die Existenz des Staates Israel, sei der Holocaust - wider allen Erwartungen - doch ein reales historisches Ereignis, so müssten die Deutschen als Täter die Konsequenzen ziehen und einen jüdischen Staat im Herzen Europas ermöglichen. Der Ausgang der "Holocaust-Konferenz" stand somit von vornherein fest, wie Boris Kalnoky in der Welt zusammenfasst: "Holocaust hin, Holocaust her, der Staat Israel muß verschwinden".

Zehn Jahre musste der französische Abt, der eigentlich Henri Grouès heisst, warten bis seine Forderungen endlich in die Tat umgesetzt wurden. Schon 1996 berichtete der Telegraph von Plänen des katholischen Geistlichen, die denen eines Ahmedinedschad recht ähnlich sind: "To forbid research into the worst crimes in history risks that the younger generation will wonder what certain people have to hide" wetterte er und forderte ebenfalls eine Konferenz von "Wissenschaftlern", die sich der Frage annehmen und ihre Ergebnisse dazu veröffentlichen sollen. Wen Abbé Pierre damit meint, wenn er von "bestimmten Leuten" spricht, die etwas "zu verheimlichen" hätten lässt sich erahnen und nährt natürlich auch weitere Spekulationen über die Freude, die der Nachfolger des Bernhard von Clairvaux empfunden haben muss, als er von den Plänen des Verrückten aus Teheran erfuhr, immerhin liest sich die Einladung zur Holocaustleugner-Konferenz fast so, als hätte der iranische Präsident vom Abt abgekupfert.

Zur Konferenz wurde auch Roger Garaudy eingeladen, ein langjähriger Freund von Abbé Pierre. Garaudy hat eine bewegte Karierre hinter sich: sie begann in verschiedenen kommunistischen Gruppen, brachte ihn in den Siebzigern auf die Kandidatenliste für die Präsidentschaftswahl und mündete schließlich in im Geschichtsrevisionismus und seiner Konversion zum Islam. 1998 wurde er wegen Leugnung des Holocaust von einem französischen Gericht zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt. Grund für die Verurteilung war sein 1996 erschienenes Buch "Die Gründungsmythen der israelischen Politik". Abbé Pierre, der Kämpfer gegen Armut und Ungerechtigkeit, verfasste daraufhin einen Brief* zur Unterstützung des Holocaustleugners Garaudy, den er mit den Worten "Mein lieber Roger" beginnt und mit der Formel "Dein Bruder" beendet. Weiter schreibt er ihm: "Ich bitte Dich, entnimm diesen fast unleserlichen Zeilen, die wir gemeinsam am Telefon lesen werden, die Kraft und die Treue meiner Liebe und meine Achtung für die riesige Arbeit Deines neuen Buches. Es mit dem in Verbindung zu bringen, was man 'Revisionismus' nennt, ist ein Betrug und eine Beleidigung, begangen von Unwissenden. Ich umarme Dich und versichere Dir, dass Du und die Deinen mir jeden Tag, der mir gegeben ist, den geringen Einsatz, den ich noch zu leisten vermag, zu vollbringen, nahe seid."

Reaktionen auf diese unappetitliche Sympathiebekundung gab es von verschiedenen Seiten. Nach Informationen des Israelischen Außenministeriums bekam der gütige Geistliche mit dem weissen Rauschebart Applaus vom syrischen Mufti Ahmed Kaftaru: "The mufti Ahmed Kaftaru sent a letter of support to Abbé Pierre who backs the historian Roger Garaudy[...]. The letter contained anti-Semitic and anti-Zionist defamatory remarks." Andererseits gab es auch Konsequenzen, die dem Quasi-Heiligen deutlich weniger gut gefallen haben dürften, so wurde er beispielsweise vom Vatikan aus seiner Diözese in Frankreich entfernt und nach Italien strafversetzt. Jean-Marie Kardinal Lustiger, der Erzbischof von Paris, kommentierte die antisemitischen Ausfälle von Abbé Pierre als "naiv and fundamentalist", wie auf der Homepage der Anti-Defamation League nachzulesen ist. Die Äußerungen seien als "attack on Israeli policy and [...] against Zionism and Jews in general" zu verstehen. Die Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus entschloß sich gar dazu, Abbé Pierre aus dem Ehrenvorstand auszuschließen, wie die französische Zeitung L'Humanité berichtet.

Bereits in der Vergangenheit hatte sich der "Vater der Obdachlosen" mit Äußerungen hervorgetan, die denen eines Hohmann oder Edward Said durchaus ebenbürtig sind. Denn wie auch sie versucht er klarzustellen, dass sich die Zeiten seit dem Zweiten Weltkrieg geändert haben und heute andere politische Konstellationen vorherrschen als damals: mag zwar sein - und so sicher ist sich der französische Abt bei der ganzen Angelegenheit dann doch nicht - dass die Juden früher mal Opfer gewesen sind, doch heute sind sie zum kollektiven Täter avanciert, dessen Grausamkeit selbst die Nazis wie Chorknaben aussehen lässt. Robert Wistrich, der Direktor des Vidal Sassoon Center for the Study of Antisemitism, fasst in einem Beitrag für das American Jewish Committee den Antisemitismus von Abbé Pierre folgendermaßen zusammen: "Across the European Union, it has become commonplace to declare that 'the Jews, once victims, have become executioners.' This remark of France’s most popular Catholic priest, Abbé Pierre, was made as far back as 1991. Since then, Abbé Pierre has not tired of repeating the ugly canard that the Jews invented genocide; that their Old Testament faith is relentlessly legalistic, tribal, and punitive; and that Zionism is a uniquely vicious example of the ravages inflicted by capitalist globalization on the 'wretched of the earth.' Such beliefs explain why Father Pierre chose to defend the Holocaust denial theories of his close friend Roger Garaudy — a lapsed Catholic, ex-Stalinist convert to Islam, and a culture hero to millions of Arabs." Die Causa Garaudy wäre demnach keinesfalls ein einmaliger Ausrutscher, sondern hat zahlreiche Anknüpfungspunkte in der Biographie des Abbé Pierre.

Jetzt ist der christliche Wohltäter gestorben und die Welt trauert um ihn. Die Tagesschau berichtet beispielsweise über ihn, er sei "vor allem durch die Hilfsorganisation Emmaus" bekannt geworden, "die er nach dem Krieg ins Leben rief. Seitdem kämpfte er gegen Armut und Wohnungsnot in Frankreich." Während des Zweiten Weltkrieges half er "Juden bei der Flucht", was natürlich den Judenhass gegen Ende seines Lebens schnell in den Hintergrund treten lässt. Von seinem Brief an Garaudy oder seinen antisemitischen Tiraden hört man aktuell kein Wort: über Tote sollte man bekanntlich nicht schlecht reden, und über einen Volkshelden erst recht nicht. Und genau dies scheint er in Frankreich über Jahrzehnte hinweg gewesen zu sein, so schreibt die Berliner Zeitung, sein Name sei "in Frankreich so bekannt wie der von Asterix". Laut Umfragen wurde der Armenpriester mindestens vierzehn mal in Folge zum "nationalen Vorbild" gewählt. Doch nicht nur auf der Beliebtheitsskala lag er immer ganz weit vorne. Alain Coutte hat sich die Arbeit gemacht, im Buch "Prêcheurs de Haine" von Pierre-André Taguieff nachzuzlählen, wie oft welche Personen als "Hassprediger" bezeichnet werden. Die Ergebnisse: Abbé Pierre liegt mit einem wohlverdienten neunten Platz direkt hinter Tariq Ramadan, José Bové und Israel Shamir. Er war eben ein wirklicher Tausendsassa: Armenpriester, Revisionist, Antisemit, Hassprediger.

(*) Der Brief kann im Wortlaut auf einschlägigen revisionistischen Internetseiten nachgelesen werden.

Montag, 15. Januar 2007

Pawlowsche Antisemiten - erste Freiwillige für die SEB

Der russische Mediziner Iwan Pawlow entdeckte, dass der Speichelfluß bei Zwingerhunden bereits angeregt wird, wenn sie lediglich die Schritte ihres Herrchens hören. Es gelang ihm schließlich durch klassische Konditionierung, eine vermehrte Absonderung von Speichel alleine durch das Läuten einer Glocke herbeizuführen. Ganz ähnlich verhält es sich bei so manch leidenschaftlichem Antisemiten in seinem intellektuellen Zwinger: schon allein die Worte "Jude" oder - analog zum Glockenton beim Hund - "Israel" lösen tief im Stammhirn Reflexe aus, die ihn unweigerlich zu keifen und sabbern beginnen lassen. Der Blutdruck steigt, die Augen werden starr und die Hände ballen sich zur Faust und das, ohne überhaupt einen Juden gesehen zu haben. Der typische Pawlowsche Antisemit ist dabei im Gegensatz zum Hund jedoch aktiv auf der Suche nach auslösenden Stimuli, so als wäre er auf der Jagd nach einer benötigten Droge. Das Internet ist heutzutage sein beliebtestes Revier und die üblichen Verdächtigen haben natürlich auch den Beitrag "Die Shraga-Elam-Brigaden - Nasrallah's Little Helpers" der Gemischtwarenblogbesitzerin Tante Emma entdeckt. Wenn es um Juden oder Israel geht wird noch aus jedem mickrigen Rehpinscher ein stolzer Deutscher Schäferhund und so sollen nun die Reaktionen zweier besonders engagierter Mitglieder der antizionistischen Internet-Bürgerwehr (Shraga-Elam-Brigaden, SEB) dargestellt werden.

Briefe zu schreiben ist die große Leidenschaft von Claudia Karas: an Zeitungen, Blogbetreiber, Politiker und an die Israelische Botschaft hat sich die scheinbar äußerst gelangweilte Frau mit ihren Problemchen bereits gewandt, und letztgenanntes Opfer der Spamattacken hatte sich in der Vergangenheit bereits deutlich angewidert von den Hasstiraden gezeigt: "Shalom, Frau Karas, wie Sie wissen, sind wir ebenfalls in Ihrem Verteiler für Ihre Hetzkampagnen gegen Israel, die Sie wild um sich schicken". Die Nachwuchs-Stalkerin vom "Aktionsbündnis für einen gerechten Frieden in Palästina" füge sich in "die Reihe der Terrorismusverherrlicher" ein, verbreite "unangebrachte Aufstachelei" und sei somit eine "scheinheilige, deplaziert moralisierende Antisemitin". Das sieht Karas natürlich etwas anders und klärt die Mitarbeiter der Botschaft in ihrer Antwort darüber auf, wer die wahren Terroristen sind. So seien "die palästinensischen Widerstandskämpfer gegen die illegale Besatzung" eigentlich "Freiheitskämpfer" und man solle sich doch besser auch mal an die "Anschläge jüdischer Terrorgruppen" erinnern. Judenmordende "Freiheitskämpfer" die im Gefängnis sitzen sollen nach den Vorstellungen Karas endlich resozialisiert und freigelassen werden und so apelliert sie in einem offenen Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundestags, sich für die Freilassung Marwan Barghoutis einzusetzen, da dieser "ein im israelischen Friedenslager anerkannter Friedensaktivist" sei. Der von Karas hofierte Barghouti wird als einer der führenden Köpfe hinter der Zweiten Intifada betrachtet, so berichtet BBC: "When the Palestinian uprising broke out in 2000, he led marches to Israeli checkpoints, where riots broke out against Israeli soldiers." Er wurde des 26-fachen Mordes angeklagt, doch: "Ultimately he was convicted for murder over the deaths of four Israelis and a Greek monk, as there was insufficient evidence connecting him to the other 21." Sind das also die Vorstellungen, die Claudia Karas von "Frieden" hat: so viele tote Juden wie möglich? Wenigstens wäre es historisch konsequent, denn die besten Freunde der Deutschen waren im Nahen Osten schon immer jene, die den Judenmord am weistesten perfektioniert hatten, von al-Husseini bis Arafat.

Dabei geht Karas vor allem auf die Nerven, dass Juden hierzulande Privilegien zuteil werden, die Deutschen nicht vergönnt sind. Damit hat sie nicht ganz unrecht, denn Juden kommen tatsächlich seit vielen Jahrhunderten in den Genuß von exklusiven Sonderrechten, angefangen bei der Kennzeichnungspflicht, die auf dem Laterankonzil 1215 beschlossen wurde über Ghettos bis hin zu Auschwitz. Zudem tadelt sie, dass Juden auch heute noch einen zu großen Einfluß in Deutschland ausüben. Die Deutschen haben sich vor fast 70 Jahren eben nicht gründlich genug darum gekümmert, alles Jüdische im Lande auszumerzen und so kommt es, dass Juden laut Karas auch heute noch Vorrechte für sich in Anspruch nehmen können. Sie reagiert - ebenfalls in einem offenen Brief - auf Claudia Roth, die zuvor den Diskussionsstil in der sogenannten Friedmann-Affäre kritisiert hatte, folgendermaßen: "wiederum wird der antisemitismusvorwurf bemüht, um diesmal michel friedmann außerhalb des rechts zu stellen und ihm nur aufgrund seines jüdischseins eine sonderrolle zuzugestehen, denn Sie sind anscheinend der ansicht, dass die justiz einen straffälligen schonen soll, nur weil er jude ist!" Glaubt man den Worten Karas kann sich Friedmann dabei natürlich der Rückendeckung der Medien und der Justiz sicher sein, schließlich sind diese bekanntermaßen fest in jüdischer Hand. "Friedmann", so schreibt sie, "der sich immer wieder der ihn hofierenden, kriecherischen medien" bediene, habe als "vizepräsident des zentralrats der juden in deutschland [...] anscheinend einen freibrief für freien kokaingenuss". Die Juden können sich hier alles erlauben, denkt sie sich wohl völlig frustriert in ihrem Groll und schmiedet wahrscheinlich schon an Plänen für ihre nächste E-Mail-Kampagne oder ihren nächsten offenen Brief. Nun hat sich Claudia Karas bei Tante Emma gemeldet:

das ist alles, was Sie können: diffamieren, was das zeug hält.
weder können Sie all den von Ihnen diffamierten ausgewiesenen friedensaktivisten Argumente entgegensetzen, geschweige einen einzigen satz widerlegen. Deshalb sind auch Diskussionen mit Hetzern wie Ihnen nicht möglich. Sie sind feige -- Ihr verlogenes Kartenhaus bräche wie nichts zusammen !

widerlich ist aber, dass Sie sich über einen konkreten mordaufruf lustig machen und das als "albernen Telefonmitschnitt" bezeichnen. das zeigt, wes kranken geistes kind Sie und Ihresgleichen hetzer sind.
claudia karas
Aktionsbündnis für einen gerechten Frieden in Palästina

Eines muss man ihr lassen: höflich ist sie. Die Kombination aus Beleidigungen einerseits und höflicher Anrede andereseits wirkt dabei genauso selbstgerecht, wie die Nennung ihres vollen Namens, der ebenfalls ein Indiz dafür ist, dass die Autorin jedes Unrechtsgefühl oder wenigstens schlechte Gewissen vermissen lässt. Ja, hier fühlt sich jemand ganz in seinem Element, denn der Kampf gegen das Böse, sprich: Israel, ist bekanntlich eine gerechte Schlacht. Um dies zu untermauern ist Frau Karas auch so freundlich einen Aufsatz anzuhängen, in dem sie die besonders guten Stellen in leuchtend roter Farbe hervorhebt. Zunächst betont sie, dass die Israelis "ethnische Säuberungen" durchführen: "to carry out what is euphemistically in Israel called 'transfer' and what in other parts of the world is called ethnic cleansing" kann man da in bester Elam-Manier lesen und dann die Feststellung: "the architects of transfer, who once held the equivalent status in Israeli society of the Ku Klux Klan, have wormed their way into positions of power in the Israeli government". Getötete Hamas-Terroristen sind somit für Karas, die diesen Text scheinbar unterstützt, auf einer moralischen Ebene mit vom Klan grundlos verstümmelten und getöteten Schwarzen anzusiedeln. Dieser Trick ist wirklich nicht sonderlich einfallsreich und wird schon lange in verschiedener Form von Israelhassern sämtlicher Facetten genutzt: Israels Politik wird mit dem eines Staates oder einer Organisation gleichgesetzt, deren kompromisslose Bekämpfung und Abschaffung eigentlich jedem Menschen ein Anliegen sein müsste (Spitzenkandidat hierfür sind natürlich die Nazis, dicht gefolgt von Südafrika während der Apartheid), um im Umkehrschluss auch die Bekämpfung Israels als Selbstverständlichkeit präsentieren zu können. Dieser unappetitliche Vergleich schafft somit die Basis für die Rechtfertigung sämtlicher Aktionen gegen Israel: wer würde schon ernsthaft für das Existenzrecht des KKK plädieren? Dass solche Vergleiche bar jeder faktischen Grundlage sind interessiert dabei freilich nicht: was zählt ist der Schockeffekt, die emotionale Wirkung, die Empörung.

Einer, dem ebenfalls kein Jud' im Internet entwischt ist Erhard Arendt. Arendt sieht sich ständig und überall von Juden bedroht, die Antisemitismuskeulen schwingend an jeder Straßenecke auf ihn warten. Ein armer Paranoiker, aber dennoch einer der fleißigsten seiner Gattung. Mit der Akribie eines gartenzwergsammelnden Schrebergartenbesitzers (aber mit weniger Ordnungssinn) stellt er auf seiner Homepage all jene Informationen zu Israel und den Juden zusammen die ihm irgendwie verdächtig vorkommen, also alle. Das Ergebnis ist ein wirres Geflecht von zusammenhangslosen Hasstiraden und Wahnvorstellungen, und das in einer Dichte, die selbst einen Matthias Bröckers vor Neid erblassen lassen müsste. Auch Arendt hat natürlich, einem Trüffelschwein gleich, sofort Tante Emmas Gemischtwarenblog ausfindig gemacht. Der Artikel "Die Shrage-Elam-Brigaden" ist bei Die Jüdische verlinkt, und da Arendt die tägliche Dosis Juden braucht um seinen Adrenalinpegel halten zu können, ist diese Seite fester Bestandteil seines täglichen Surf-Verhaltens. Ähnlich dem Nachbarschafts-Spießer der den ganzen Tag aus dem Fenster glotzt, um sich über Falschparker aufzuregen ist der Antisemit eben den ganzen Tag Juden und Israelfreunden auf den Fersen um sich den dringend benötigten Kick zu holen. Für Tante Emma ist es eine ganz besondere Ehre, von Arendt mit dem Text "Das Jahresende der Schmuddelkinder" bedacht zu werden. Arendt tobt sich hier mal wieder so richtig aus und wettert ungestört gegen die große Verschwörung seiner Lieblinge "Stawski, Broder, Laster", die in den Augen des gehetzten Webseitenbetreibers hinter jedem im Internet veröffentlichten pro-israelischen Wort stehen. Die Jüdische verlinke "Schmuddelkram" und die Texte "dieses Netzwerks" stachelten "Spinner und Kranke" zu Morddrohungen an. "Gesteigert wird dies alles, wenn man sich über solche Morddrohungen noch lustig macht", wirft er dabei Tante Emma vor.

Diese beiden armen Seelen sind zusammen mit vielen anderen vereint im Kampfe gegen Broder. Sowohl Arendt als auch Karas waren bereits sehr früh dabei, beim Zwergenaufstand in Zürich. Mit von der Partie war damals auch jener Shraga Elam, der sich nun massiv von den "Henryk-Broder-Brigaden" bedroht fühlt, nach einem Anruf hinter dem - Erhard Arendt weiss es - ein "russischer Jude" steckt. Bisher ist noch nicht bekannt, ob sie sich auch im direkten Kampf gegen Israel engagieren werden (vielleicht als Suicide Bomber?), aber nun scheint es, als wären die Einberufungsbescheide für die Shraga-Elam-Brigaden (SEB) bereits verschickt worden. Mit Claudia Karas und Erhard Arendt haben sich die treuesten Anhänger des "Recherchierjournalisten" bereits gemeldet. Weitere Wunschkandidaten sind: David Irving, Tanja Krienen, Norman Paech und Knut Mellenthin. Bewerbungen werden ab heute entgegengenommen.

Sonntag, 7. Januar 2007

Der Spiegel - Das Judentum ist unser Unglück!

Die Weihnachtszeit ist zwar bekannt dafür, untrennbar mit dem Transfer großer Mengen unnützer und hässlicher Geschenke verknüpft zu sein, keine Snoopy-Krawatte dieser Welt kommt dieses mal jedoch an die Geschmacklosigkeit der journalistischen Präsente heran: als ob ein "Antisemitisches Elaborat in der Zur Zeit-Weihnachtsausgabe" nicht gereicht hätte musste auch Der Spiegel seine Leserschaft mit pseudowissenschaftlich-theologischen Ergüssen beglücken: "Das Testament des Pharao" heisst die Titelstory der Weihnachtsausgabe vom 22. Dezember. Hannes Stein fasst bei der Achse des Guten (und in einem ähnlichen Beitrag für die Jüdische Allgemeine vom 4.1.) den Erkenntnisgewinn des Artikels von Matthias Schulz zusammen: "1. Die antike Welt sei eine Idylle der religiösen Toleranz gewesen, weil sie ja von Polytheisten bevölkert wurde, bis die Juden in sie einbrachen und durch die 'mosaische Unterscheidung' (Jan Assmann) zwischen wahrer und falscher Religion Hass und Zwietracht säten. 2. Die Juden hätten ihren Monotheismus von Echnaton geklaut, und die Exodusgeschichte hätten sie nur erfunden, um sich groß und mächtig zu fühlen. Zu diesen beiden Legenden lässt sich allerhand sagen, nicht aber, dass sie originell seien. Man findet sie in dieser und ähnlicher Form bei Verächtern der Juden von Schopenhauer bis Heinrich Himmler".

Und tatsächlich zeichnet der Artikel ein Bild von der Entstehung des Judentums, dessen filmische Umsetzung wohl unter der Rubrik "Splatter" verkauft werden müsste. So schreibt Der Spiegel: "Die aus Legenden geformte Vergangenheit der Israeliten besteht im Prinzip aus einer Abfolge von Massakern, Strafaktionen und Blutvergießen", man habe sich dabei auf den tyrannischen Gott Jahwe berufen, der "rachedurstig, ja rechthaberisch" sei. Dabei scheinen blanker Hass und Vernichtungswillen einziger Antrieb der Gläubigen gewesen zu sein, so schreibt Schulz, die frühen Juden hätten "zu Zwangsmitteln" gegriffen. "Ständig führten sie Wörter wie 'ausrotten', 'töten', 'ausmerzen' im Munde". Der Akt der ersten Beschneidung erscheint im Spiegel als brutales Blutbad: "Der Mohel nahm das Baby, ritzte mit dem Fingernagel dessen Vorhaut ein und riss sie ab – ein blutiges Attentat, das sich wie ein Mal in den Körper brannte [...] Es ist dieser Ritus, der zur Ausbildung einer kollektiven kultischen Identität der Juden führte." Der Blog Chajms Sicht stellt da vollkommen zurecht fest, ein passenderer Titel für den Artikel wäre "Grausige Riten im dunklen Tempel" gewesen. Für den Spiegel scheint das Judentum nichts weiter, als ein Konglomerat seltsamer Rituale und Grausamkeiten zu sein, die sich in einem obskuren und obendrein natürlich mächtigen Kult darstellen: "In diesem düsteren Kultbau auf dem Zionsberg [...] liefen einst alle Fäden zusammen. Bärtige Priester mit Kleidern, an denen blaue Kordeln hingen, liefen in dem Gemäuer umher. Sie schlachteten Stiere. Bei einem der Riten benetzten sie ihre Ohrläppchen mit Widderblut. Mit der Wahrheit nahmen es die bigotten Anhänger des Ewigen allerdings nicht so genau."

Dabei war die Idee, die von den Juden mit so viel Blutvergießen durchgesetzt werden sollte streng genommen nicht mal ihre eigene, denn "die Juden kupferten ab. Ihre Idee vom einen Gott stammt in Wahrheit aus – Ägypten." Die einzige Innovation des Judentums wäre demnach, dass es "mit dem Schwert" durchgesetzt wurde. Pharao Echnaton sei hingegen das Original in Sachen Monotheismus, habe er doch bereits im 14. Jahrhundert vor Christus der Vielgötterei ein Ende bereitet und die Anbetung des Sonnengottes Aton durchgesetzt. Matthias Schulz beruft sich dabei hauptsächlich auf das Buch "Moses der Ägypter" des Ägyptologen Jan Assmann. Assmann, dessen Arbeitsschwerpunkt die Erforschung von "Kultur und Gedächtnis" ist, schreibt darin, eine Spur der Erinnerung ziehe sich von Echnaton ausgehend über die monotheistischen Religionen bis in die Gegenwart. Schon früh wurde ihm vorgeworfen, den polytheistischen Kosmotheismus in Ägypten zu verherrlichen und den monotheistischen Religionen - vor allem dem Judentum - jegliche Kreativität abzusprechen. So schreibt Thomas Assheuer in der Zeit: "Das alte Ägypten, schreibt er [Assmann; T.E.], sei der jüdischen Gründungssemantik als Feindbild eingeschrieben, oder weniger vornehm ausgedrückt: Der Monotheismus ist eine Gegenreligion, die ihren Seinsgrund nicht aus sich selbst, sondern allein aus der Abgrenzung zu einer 'primären' Religion gewinnt". Den vermeintlichen Ursprungort des Monotheismus, Ägypten, beschreibe Assmann hingegen in "derart leuchtenden Farben [...], dass der Leser nicht immer weiß, wo die Wissenschaft endet und die retro-romantische Idyllisierung beginnt". Assman verteidigt seine These vom Ursprung des Monotheismus auch in einem Interview mit dem Magazin Tachles , in dem er die Zeit Echnatons als "ersten monotheistischen Umsturz der Geschichte" bezeichnet und nebenbei noch ein paar alte antisemitische Klischees aufwärmt, wenn er meint, "Gott hat sich sein Volk erwählt".

Bei all diesen Grausamkeiten in der Geschichte des Judentums wundert es nicht, dass Der Spiegel auch die gegenwärtige Gewalt im Nahen Osten den Juden in die Schuhe schieben möchte. "Der Mörder ist immer der Jude" möchte man fast meinen, wenn man liest, wie beiläufig der Autor Matthias Schulz eine Jahrtausende währende Kontinuität jüdischer Täterschaft unterstellt und dabei das Bild vom unverbesserlichen "ewigen Juden" reproduziert: "Gleichwie: 2500 Jahre danach ist der Nahe Osten immer noch ein Pulverfass". Ivo Bozic stellt dazu in seinem Blog Planet Hop fest: "Vor allem das 'Gleichwie' ist eine Offenbarung. Nach dem Motto: Egal, wie es nun wirklich war, und ob das alles, was da vorher in diesem Text steht, irgendwie Hand und Fuß hat, beweist doch allein die Tatsache, dass im Nahen Osten 'immer noch' Unfriede herrscht, was hier gesagt werden sollte. Da hätte man den ganzen theologisch-historischen Schmonzes vorher auch weglassen können". Damit hätten sie dem Leser auch viel Zeit erspart, denn eine komprimierte Fassung des Artikels, die dennoch alle notwendigen Informationen enthält hätte einfach lauten können: "Die Juden sind der Quell allen Übels". Der Blog Apocalypso bringt den offenen Antisemitismus beim Spiegel mit dessen wiederentdeckter Deutschtümelei in Verbindung: "Wie lange soll Matthias Mattussek noch Kulturchef des Spiegels bleiben, da es klar ist, dass die Etablierung der Deutschtümelei als Leitkultur des Blattes nun auch dessen dunklen Bruder ans Licht bringt, den offenen, verleumderischen Antisemitismus?"

Nun hat die Jüdische Allgemeine dem Thema in ihrer Ausgabe vom 4.1. einen kleinen Artikel gewidmet. Die Autorin Sylke Tempel lässt darin unter anderem Micha Brumlik zu Wort kommen, der erwartungsgemäß angemessene Worte für die antisemitische Frechheit des Spiegel findet: "Im Wesentlichen wird hier wiederholt, was nationalsozialistische Wissenschaftler propagiert haben: Nämlich die Unwahrheit des Judentums nachzuweisen". Besonders erschreckend sei, so Brumlik, dass "der Chefredakteur eines bislang angesehenen Magazins der Republik ausgerechnet zu Weihnachten die bislang antisemitischste Titelgeschichte beschert hat". Martin Doerry, der stellvertretende Chefredakteur des Spiegel, zeigt sich angesichts der Vorwürfe "ratlos". Dass es ihm dabei eigentlich vielmehr an Wissen mangelt wird später deutlich: "Antisemitismus ist doch Rassismus. Was aber ist an der These des Artikels rassistisch? Kann man in der Vermutung, dass die jüdische Religion ihre Ursprünge auch im Monotheismus des Pharaos Echnaton hat, einen rassistischen Kern erkennen?" Es ist doch immer wieder erbaulich zu beobachten, wie empört Antisemiten sind, wenn sie Antisemiten genannt werden.